„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Aufruf zum Novemberpogromnachtsgedenken

 In Politik

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ -Primo Levi

Am 9. November 1938 fanden die Novemberpogrome ihren Höhepunkt. Im gesamten Deutschen Reich wurden Jüdinnen_Juden verschleppt, vergewaltigt, inhaftiert und ermordet. Jüdische Geschäfte, Wohnungen, Gemeindehäuser und Synagogen wurden geplündert, zerstört und in Brand gesteckt. Auf den Straßen brach sich der gewalttätige deutsche Antisemitismus Bahn, der staatlich angestoßen und koordiniert wurde. SA und SS führten die Morde, Brandstiftungen und Verwüstungen an. Die nicht-jüdische Bevölkerung beteiligte sich aktiv an dem Pogrom oder stimmte mit ihrem Schweigen zu.
Auch in Speyer wird die Synagoge in der Nacht des 9. Novembers 1938 von mehreren SA-Männern zunächst ausgeplündert, dann in Flammen gesetzt. Am nächsten Morgen steht nur noch die ausgebrannte Ruine. Nahezu alle erwachsenen männlichen Speyerer Juden werden in das KZ Dachau verschleppt. Von den 269 jüdischen Bürger_innen, die 1933 in Speyer lebten, entgehen nur zwei der Emigration oder Deportation. Im Oktober 1940 werden über 6500 Jüdinnen_Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach dem südfranzösischen Internierungslager Gurs verschleppt. Für fast alle wird es zur Durchgangsstation zu den Vernichtungslagern.

Fast auf den Tag genau liegen die Novemberpogrome nun 80 Jahre von uns auf dem Zeitstrahl entfernt und nie schien es wichtiger die Vergangenheit eben nicht Vergangenheit sein zu lassen, sondern sie mit Trauer und Zorn uns immer wieder in Erinnerung zu rufen, denn das Unbeschreibliche ist geschehen und folglich kann es auch wieder geschehen.
Wir leben in Zeiten, in denen das Unsagbare wieder sagbar wird, in denen der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland im Juni behauptete, dass der Nationalsozialismus nur ein »Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte« sei. Industrieller Massenmord soll so zu einer geschichtlichen Randnotiz erklärt werden um sich endlich ungehemmt dem nationalen Taumel hingeben zu können.
In Speyer wählten bei der letzten Bundestagswahl über 3 500 Speyrer Bürger_innen die AfD, in Kandel marschieren seit Monaten mehrere hundert bis Tausende Rechte auf und werben für eine Gesellschaft, die auf Ausgrenzung basiert. Das auch für einige „besorgte Bürger_innen“ der Schritt von Demonstrationen zu Überfällen auf Jüdinnen_Juden nur ein kurzer ist, zeigt der Überfall auf das jüdische Restaurant Shalom: Nach einem rassistischen Aufmarsch in Chemnitz am 27. August 2018 griffen Neonazis unter dem Ruf »Hau ab aus Deutschland, du Judensau!« das Lokal an. Es war nicht der erste Angriff auf das „Shalom“. Seit der Eröffnung im Jahre 2000 wurden immer wieder Scheiben eingeworfen und Schweinsköpfe vor dem Lokal abgelegt.

Wenn wir heute an die Novemberpogrome von 1938 erinnern, heißt das, dass wir ihrer Opfer gedenken, ihnen Namen und Geschichten geben. Es heißt auch, dass wir antifaschistisch wachsam sind gegenüber einer Gesellschaft, deren autoritäre und Ressentiment geladene Tendenzen wieder offen zu Tage treten. Die Novemberpogrome stellten einen frühen Höhepunkt der antisemitischen Verfolgung dar, aber passierten nicht aus dem Nichts heraus. Die deutsche Gesellschaft stimmte aktiv in die Vernichtungspolitik ein.
Deshalb liegt es an uns aktiv zu werden und rechte Bewegungen, Bürgerbegehren und Parteien aktiv zu bekämpfen. Denn, um es mit den Worten der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano zu sagen: „Erinnern heißt Handeln“

Beteiligt euch an der Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen: Donnerstag, den 08. November, 18 Uhr, St Guido Stiftsplatz Speyer

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